INTERVIEW
Das Menschliche steht im Vordergrund.
Deka Private und Wealth traf Prof. Dr. Nadine Kammerlander, Leiterin des WHU Instituts für Familienunternehmen und Mittelstand in Vallendar, zum Expertengespräch.
Wie groß ist die Schnittmenge zwischen Familienunternehmen und dem deutschen Mittelstand?
Die Überschneidung ist groß. Es sind ungefähr 80 Prozent, vielleicht sogar ein paar Prozentpunkte mehr. Natürlich gibt es einige Familienunternehmen, die viel größer sind als ein mittelständisches Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es auch mittelständische Unternehmen, bei denen es keinen Familieneinfluss gibt, die etwa in Private Equity- oder sonstiger Investorenhand sind. Aber wir stellen fest, dass auch viele Firmen mit mehreren Tausenden Mitarbeitern sich immer noch dem deutschen Mittelstand zugehörig fühlen, weil sie sagen, wir sind von unseren Werten und wie wir denken, immer noch mittelständisch aufgestellt.
Was sind das für Werte? Was zeichnet den deutschen Mittelstand aus?
Ein wichtiges Merkmal ist, dass die Reputation im Vordergrund steht, und damit auch das Menschliche. In Großkonzernen werden Entscheidungen relativ anonym getroffen. So heißt es dann beispielsweise: Das Management hat entschieden, diesen Standort zu schließen. Dagegen steht bei mittelständischen Firmen in der Regel eine konkrete Person, ein Gesicht, im Fokus. Alle Entscheidungen werden von dieser einen Person geprägt, die ihre eigenen Werte hat, aber im Grunde auch immer im positiven Licht dastehen will.
Diese Konzentration auf eine Person kann aber auch ein Nachteil sein, oder?
Ja, durchaus. Viele der Unternehmen sind oft sehr zentralisiert geführt. Das heißt, wichtige Entscheidungen werden nur von einer Person gefällt. Das führt unter anderem dazu, dass mittelständische Unternehmen häufig sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, externes Kapital aufzunehmen. Es gibt viele Mittelständler in Deutschland, die quasi gar kein Fremdkapital haben, sondern nur Eigenkapital und nicht einmal Bankkredite. Das ist dem Wunsch geschuldet, keine Kontrolle abgeben zu müssen.
Was machen mittelständische Unternehmen ansonsten anders als Großunternehmen?
Wir sehen bei kleineren und mittleren Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Belange der Mitarbeiter. Entscheidungen werden viel durchdachter getroffen. Und vor allem Verantwortungsbewusstsein zeichnet den deutschen Mittelstand aus. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass sich die Firmenchefs beispielsweise deutlich stärker an freiwilligen ökologischen Richtlinien halten. Dazu gehört auch Langfristigkeit, die Unternehmer denken oft schon an die nächste oder sogar übernächste Generation. Man trifft Entscheidungen für die nächsten zehn, 20 oder sogar 30 Jahre.
Ist eine generationenbedingte Änderung in der Mentalität festzustellen, also dass die Jüngeren anders agieren beziehungsweise führen?
Absolut. Ja. Tatsächlich sehen wir einen echten Wandel, den die junge Generation gerade einläutet. Sie sind in der Regel besser ausgebildet. Sie sind häufig auch viel globaler aufgewachsen, viel offener und auch viel aufgeschlossener gegenüber neuen Themen.
Betrifft das auch den Punkt Digitalisierung? Hier hinkt der Mittelstand ja immer noch ein bisschen hinterher.
Tatsächlich wird die Digitalisierung im Mittelstand vor allem durch die sogenannte Next Generation getrieben. Das hängt auch damit zusammen, dass die Next Generation den Führungsstil der Senior-Generation anzweifelt. In der Senior-Generation sehen wir häufig einen patriarchischen Führungsstil. Nun stehen immer mehr demokratische Strukturen und mehr Team-Leadership im Vordergrund. Ein weiter Punkt, der sich unter der Next Generation ändert, ist der starke Fokus auf Themen wie das Anstreben nachhaltiger Aspekte.
Wie steht es generell um die Zukunftsfähigkeit des Mittelstands?
Bei Vorträgen zeige ich gerne zwei Bilder, die eine Zweiteilung bei dieser Frage zeigen sollen. Die eine Gruppe der Unternehmer sind die Winterschlaf haltenden Bären, die andere Gruppe sind die Chamäleons, die sich wunderbar anpassen können und für die Zukunft sehr gut aufgestellt sind. Sie haben die aktuellen Probleme erkannt und sehen zugleich, dass sie das nicht mehr alleine lösen können. Deshalb sucht diese Gruppe gezielt den Austausch mit anderen Unternehmen. Und gründen Initiativen.
Wo sehen Sie die größten Defizite?
Wir hatten in den vergangenen Jahren eine Glorifizierung des Begriffs „Hidden Champions“. Dass diese Firmen Champions sind, mag ja ganz gut sein, aber dass sie Hidden, also irgendwo versteckt sind, nicht. Das ist kein Qualitätsmerkmal mehr. Im Gegenteil. Die Unternehmen müssen sich bemühen, sichtbarer zu werden. Ansonsten läuft die Transformation an ihnen vorbei. Das zeigt sich besonders bei einer der größten, leider noch ungelösten Herausforderungen: dem Fachkräftemangel. Viele Familienunternehmen und viele Mittelständler sitzen geografisch im Nirgendwo. Entsprechend schwer ist es für sie, junge Fachkräfte für sich zu gewinnen. Das oft angestaubte Image ist eine schwierige Ausgangslage, die mir persönlich Sorge bereitet. Wir brauchen ein positiveres Bild von Unternehmern, denn sie sind es, die Werte generieren und Arbeitsplätze schaffen.
Hintergrundbeitrag zum Thema.
Rückgrat der deutschen Wirtschaft, Konjunktur- und Beschäftigungsmotor, Garant für Innovation, Qualität und Verlässlichkeit – international und vor Ort: Der deutsche Mittelstand steht für Tradition und hat einen hervorragenden Ruf. Doch die Herausforderungen nehmen zu.
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